In einem Video wurden jüngst die Machenschaften von großen Firmen der Gaming-Branche enthüllt, die Wahrscheinlichkeiten stark manipuliert haben sollen. Die Frage steht nun im Raum ob auch Niantic Chancen-Manipulation zu Ungunsten der Spieler betrieben hat.
Inhaltsverzeichnis
Glücksspiel-Vorwürfe gegen Gaming-Branche
In einem Video des YouTube-Kanals People Make Games haben Quintin Smith und Anni Sayers die Glücksspielprobleme von Valve aufgedeckt. Valve ist einer der größten Anbieter von Spielen weltweit, der mit seiner Plattform Steam vielen anderen Firmen die Möglichkeit gibt ihre Spiele darüber anzubieten.
Im Video wird darüber gesprochen wie sich Online-Casinos und damit auch die Glücksspiele zunächst auf Steam und anschließend auch in andere Spiele eingeschlichen haben. Quinn und Sayers sprechen dabei auch über Lootboxen und führen Interviews mit diversen ehemaligen Mitarbeitern von Valve und anderen Insidern der Branche.
Unter anderem spricht Quinn im Video mit Ryan Morrisson, der sich selbst als „Videospiele Anwalt“ bezeichnet, welcher die legalen Grauzonen der Gaming-Branche aufdeckt. Hierauf werden wir uns später beziehen, doch zunächst einige Grundlagen.
Was ist eine Lootbox?
In der Gaming-Branche sind sogenannte Lootboxen keine Seltenheit mehr und viele Spiele haben Lootboxen oder vergleichbare Mechanismen implementiert. Der Sinn dahinter ist klar – der Spieler hat die Chance auf ein bestimmtes Objekt (kann je nach Spiel variieren) und kann je nach Spiel beliebig viele dieser Lootboxen kaufen um pro Box wieder erneut die Chance zu haben.
Ein klassisches Pay-to-win-Szenario. Je mehr Geld ich „investiere“ desto häufiger kann ich mein Glück versuchen um den Gewinn zu ziehen. Die Mechanik der Lootbox steht daher häufig unter Gesichtspunkten des Glücksspiels und potenzieller Suchtgefahr in der Kritik.
Ab wann genau eine Spielmechanik als Lootbox klassifiziert wird ist nicht immer ganz klar. Ob Eier in Pokémon GO eine Lootbox sind steht schon lange zur Debatte und bislang ist die Frage noch immer nicht eindeutig geklärt. Faktisch gesehen erhält man per Zufall ein Ei dessen Inhalt man nicht, oder nur bedingt kennt.
Durch die 2022 eingeführte Ei-Transparenz wissen wir zwar welche möglichen Pokémon aus einem Ei schlüpfen können, doch wir wissen weder die Chance auf jedes einzelne Pokémon, noch wissen wir die Chance auf eine schillernde Variante.
Gesetzliches
In Deutschland gelten Lootboxen gesetzlich nicht als Glücksspiel und müssen daher nicht als solches gekennzeichnet werden und unterliegen damit auch keinen gesonderten Auflagen. Die belgische Glücksspielkommission sieht darin jedoch einen Verstoß gegen das Glücksspielgesetz und fordert ein europaweites Verbot.
In manchen Ländern sind Spielehersteller dazu verpflichtet die genauen Chancen auf den „Gewinn“ anzugeben, doch eben nicht alle Spiele oder Spielmechaniken mit einer Lootbox-Charakteristik fallen darunter.
Chancen-Verteilung
Die Wahrscheinlichkeitsrechnung hat verschiedene Ansätze, was das Berechnen und Darstellen von Wahrscheinlichkeiten (Chancen) angeht. Wir möchten nicht zu tief in die Mathematik dieser Materie einsteigen, möchten aber zumindest anhand eines kleinen Beispiels verdeutlichen, was wir zwischen statistischer Wahrscheinlichkeit und reeller Wahrscheinlichkeit verstehen.
Nehmen wir also einen handelsüblichen Würfel mit 6 Seiten. Alle Seiten sind glich hoch und haben bei einem nicht manipulierten Wurf die gleiche Wahrscheinlichkeit oben zu landen. Die statistische Wahrscheinlichkeit eine 6 zu würfeln liegt also bei 1/6 oder 16,67%.
Die „reelle Wahrscheinlichkeit“ oder anders gesagt die tatsächlichen Versuche, die ein Mensch benötigt um eine 6 zu würfeln ist hingegen nicht identisch mit der statistischen Wahrscheinlichkeit. Nochmal zur Verdeutlichung: statistisch gesehen ist bei 6 Würfen einer von diesen 6 auch die Augenzahl 6.
Da bei jedem dieser einzelnen Würfe jedoch die Chance 1/6 ist, ist die reelle Wahrscheinlichkeit nach 6 Versuchen eine 6 gewürfelt zu haben gerade mal 66,5%, nach 10 Würfen bei 83,8% und nach 20 Würfen bei 97,4%.
Mit jedem weiteren Versuch „steigt“ also die Wahrscheinlichkeit, dass bei irgendeinem dieser Versuche die 6 gewürfelt wurde.
Chancen-Manipulation
Aus dem Interview mit Ryan Morrison geht hervor, dass viele Firmen in der Gaming-Branche, deren Namen er aus rechtlichen Gründen nicht nennen darf, die Chancen manipulieren.
Vereinfacht gesagt erhalten Spieler, die kein Geld ins Spiel stecken das gewünschte Objekt immer sofort, weil diese ja so oder so kein Geld ins Spiel investieren würden. Spieler, die hingegen bereit sind sehr viel Geld in die Hand zu nehmen und von denen die Firmen wissen, dass sie so lange Geld investieren, bis sie das gewünschte Objekt erhalten, erhalten die schlechtest möglichen Chancen um zu garantieren, dass diese maximal viel Geld ausgeben.
In unserem Würfelbeispiel würde das bedeuten, dass der Spieler, der kein Geld ausgibt gleich beim ersten Wurf eine 6 würfelt, der andere Spieler aber erst beim 22. Wurf eine 6 würfelt.
Das Problem daran ist, dass man diese Manipulation der Wahrscheinlichkeit nur sehr schwer nachweisen kann, da es rein rechnerisch im Bereich des Möglichen liegt, dass ein Spieler direkt bei einem Versuch die 6 würfelt und ein anderer erst nach 22.
Niantic ebenfalls betroffen?
Ryan Morrison sagt im Video aus, dass diese semi-legale Taktik von vielen der großen Firmen genutzt werden und er definitiv davon weiß, aber eben als Anwalt keine Namen nennen darf ohne sich strafbar zu machen. Er vermutet sehr stark, dass wenn große Firmen dies machen, es kleine Firmen genauso machen um eben den Gewinn zu maximieren.
Die Frage, die sich also stellt ist: Macht Niantic das auch?
Die Antwort auf diese Frage kennen wir nicht und wir können dies auch nicht zu 100% ausschließen. In unserer persönlichen Wahrnehmung sehen wir allerdings genügend Spieler, die sehr viel Geld ins Spiel investieren und durchschnittliches Glück oder teilweise überdurchschnittliches Glück haben, genauso sehen wir Spieler, die kein Geld investieren und im Verhältnis ebenso viel Glück haben.
Rein technisch gesehen hat Niantic die Möglichkeiten dazu, denn wie im Hallween-Event 2022 bereits angekündigt haben eF-eM aus dem Ei eine höhere Shinychance als wilde eF-eM, was erstmalig in diesem Event vorkam. Somit wäre es ebenfalls denkbar, dass eine Shinychance nicht nur pro Pokémon, sondern auch pro Spieler angepasst werden könnte.
Ich persönlich habe derzeit 5961 legendäre Raids in Pokémon GO gespielt. Eine Zahl die ohne den Einsatz von Echtgeld absolut nicht erreichbar ist. Statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit ein 100% IV (4*) Pokémon aus dem Raid zu erhalten bei 1/216, da es 216 verschiedene IV-Kombinationen gibt von 10-10-10 bis 15-15-15.
Rechnet man also 5961:216 = 27,59 – Ich müsste also 27 100% IV-Pokémon aus den Raids haben und tatsächlich habe ich 26. Eine Zahl die nicht sonderlich von der errechneten Statistik abweicht. Auch andere Spieler, egal ob mit oder ohne Einsatz von Echtgeld haben häufig ähnliche Ergebnisse.
Obwohl dies natürlich keine Garantie ist, gehen wir zumindest aktuell davon aus, dass Niantic in der Vergangenheit keine Chancen manipuliert hat. Nichts desto trotz spielt Niantic aber sehr bewusst mit der Mechanik der Lootboxen, gerade wenn es um das Ausbrüten neuer schillernder Pokémon geht.
Das Problem ist hierbei, dass die Anzahl der Stichproben, die jeder Spieler machen kann durch die 7km-Eier stark begrenzt ist. Letztlich gehen wir aber auch hier davon aus, dass Niantic die Chancen nicht manipuliert hat.
Fazit
Glücksspielsucht ist ein echtes Problem und die Tatsache, dass Firmen wie Valve aber in gewisser Weise auch Niantic in Kauf nehmen stößt immer wieder auf Kritik. Solange jedoch keine gesetzliche Regelung gefunden wird und solange Firmen einen Weg finden legale Schlupflöcher zu finden, bleibt das Geschäft mit dem Glück sehr lukrativ.
Wir glauben wie gesagt nicht, dass Niantic Chancen manipuliert, glauben aber durchaus, dass die Chancen für neue Shinys aus Eiern bewusst niedrig gehalten werden um die Kasse klingeln zu lassen.
Alle News zu Pokémon GO findet Ihr auch in unserem Telegramkanal, übersichtlich und ohne Werbung oder Hinweise auf andere Kanäle.
Quellen:
People Make Games
Quinn
Video Game Attorney
Drop Chance generator